Offener Brief:
Insolvenzwelle durch Kreditrationierung
Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Altmeier,
nach der Corona Pandemie wurde politisch schnell gehandelt. Die Maßnahmen und Lockerungen zum Kurzarbeitergeld, zur Grundsicherung, die Soforthilfe und die Länderprogramme sind begrüßenswert und beispiellos.
Dennoch: Der Mittelstand braucht trotz der 100 % Banken-Enthaftung weitere schnelle Nachbesserungen. Mit diesem offenen Brief hoffe ich, dass unser Hilferuf gehört wird, da Corona andernfalls und trotz schnellem Handeln der Politik eine verschleppte Insolvenzwelle in nicht zu erdenkenden Größenordnungen auslösen wird.
Als Mittelständler mit 4 Betrieben u. 27 Mitarbeitern, als Vorsitzender des größten Gewerbevereins in Mecklenburg Vorpommern, bzw. aus meiner Tätigkeit als Unternehmensberater, stecke ich aktuell in sehr vielen Ablaufprozessen meiner Mandanten und kann zusammenfassend berichten:
Die Banken zögern aus verständlichen Gründen, den KfW-Kredit trotz 100 % Enthaftung durchzureichen.
Es wird also leider grauslich, wenn die Politik bei der dringend notwendigen Kreditvergabe für den Mittelstand keine weitere Nachbesserung trifft.
Die Begründung liegt darin, dass für die Banken vielfältige Haftungsrisiken bestehen: Trotz der 100 % Absicherung und Garantiezusage des Bundes müssen die Auswirkungen und die Rechtsunsicherheit bei Kreditentscheidungen der Banken von der Politik daher berücksichtigt und beseitigt werden.
Zum Beispiel haftet eine Bank bei einer sogenannten – unverantwortlichen Kreditvergabe – bei der die Insolvenznähe des Kreditnehmers erkennbar war. Auch für den Fall der beabsichtigten Verzögerung läuft das Kreditinstitut Gefahr, in die Haftung wegen sittenwidriger Gläubigerschädigung zu geraten, bzw. sind die Unsicherheiten bei der Aufklärungspflicht bei einem möglichen Interessenkonflikt der Bank zu berücksichtigen.
Für die Banken ist ja bereits heute leider erkennbar, dass viele Unternehmen gar nicht in der Lage sein werden, den Kapitaldienst für den KfW Schnellkredit aufzubringen. Dem Darlehen steht ja letztlich auch keinerlei Wertschöpfung gegenüber, heißt das Darlehen wird nur aufgenommen, um die Fixkosten der Krise abzudecken und die künftigen Kosten erhöhen sich dadurch beträchtlich (Beispiel 200.000 € KfW Darlehen Zins/Tilgung mtl. 2.352 €).
Die Hausbank steht also vor der großen Entscheidung, ob sie durch die Durchleitung des KfW Kredites die Sanierung unterstützt, die künftige Kapitaldienstfähigkeit trotz der Zusatzkosten bestätigt oder lieber gleich Schadensbegrenzung betreibt.
In den Fällen, in denen die Bank an die Sanierungsfähigkeit glaubt, muss sie übrigens auch die von der Rechtsprechung vorgegebenen Prüfungspflichten einleiten, um den oben angesprochenen Haftungsansprüchen (insb. aus § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung durch Insolvenzverschleppung, bzw. ‑Verzögerung sowie Gläubigerbenachteiligung, bzw. ‑Begünstigung) zu entgehen.
Infolge dieser logischen Verantwortlichkeit und der Haftungsrisiken wird es ohne zusätzliche Regelungen und trotz der 100 % Garantiezusage des Bundes zu einer volkswirtschaftlich unerwünschten Kreditrationierung kommen.
Gibt es Lösungen oder kommt die Corona-Insolvenzwelle?
Die Rechnung ist ja leider einfach, wenn der/die Ø Mittelständler(in) mit z.B. 80.000 € zu versteuerndem Einkommen, zur Rettung des Unternehmens, z.B. 200.000 € Zusatzdarlehen aufnehmen musste. Nach Steuer/Gewerbesteuer/Krankenversicherung verblieben diesem Unternehmer/der Unternehmerin in der Vergangenheit mtl. Netto ca. 3.500 €.
Durch das Corona Darlehen reduziert sich das Einkommen zukünftig durch die Zinszahlung auf ein zu versteuerndes Einkommen von 74.000 €. Nach Steuer/Gewerbesteuer/Krankenversicherung und der jetzt einsetzenden Tilgung des Corona Darlehens (Tilgung von mtl. 1.852 € wird ja nach dem Steuerabzug gezahlt), verbleiben diesem Unternehmer/der Unternehmerin zukünftig mtl. Netto ca. 1.730 €.
Konkret wird die Insolvenzwelle nur so zu vermeiden sein:
Die Politik muss schnell reagieren, das braucht der Mittelstand:
• Banken Enthaftung, insbesondere aus dem § 826 BGB und der unverantwortlichen Kreditvergabe
oder Einrichtung alternativer Durchleitungswege
• Verlängerung der Kredit- Laufzeiten auf bis zu 20 Jahre
• Reduzierung des Zinssatzes auf 1,5 %
• Möglichkeit Schuldenerlass bei Nachweis der Existenzgefährdung
Der Kreis wird sich ansonsten leider schnell schließen:
Corona und die verschleppte Insolvenzwelle des Mittelstandes, oder die Politik findet eben Lösungen.
Der Weg der 100 % Bürgschaft einhergehend mit der Zinsverdoppelung auf 3 % und die großen bestehenden Haftungsprobleme der Banken sind – sorry – leider noch nicht die abschließende Lösung.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Vogel
Vorsitzender Handels & Gewerbeverein
Ostseebad Warnemünde e.V.
( +49 171 5539799 dv@scmv.info
An der Stadtautobahn 62–63, 18119 Warnemünde, Deutschland
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